FRANK BENNO JUNGHANNS
My Home is my Hobby
Die Idee zu den zwei korrespondierenden Arbeiten von Dana Widawski und Frank Benno Junghanns an der Fassade der
Bädergasse 10 ist spontan nach der ersten Ortsbegehung auf der Autobahn-Rückfahrt entstanden.
Vorgefunden haben wir ein gepflegtes Städtchen, das uns trotz guter Infrastruktur und Versorgung eher wie ein verwaistes Dorf vorkam. Die Ruhe auch hinter den Fassaden der denkmalgeschützten Innestadt rühren von einem großen Leerstand, der dennoch meist nicht für das –durch eben diesen Leerstand inspirierte– Ausstellungsprojekt AltStadt-Neu genutzt werden konnte, da hinter den allerorts sanierten Fassaden ein großes Chaos herrschte:
Baufälligkeit, feuerpolizeiliche Bedenken oder auch ewige Baustellen und Bedenken der Besitzer, vielleicht dass die Häuser –mithin auch diese „Schlafstadt“– aufwachen könnten.
Das Spannungsverhältnis zwischen der inneren und der äußeren Welt trieb uns, diesen Zustand in Verbindung mit dem im Ausstellungstitel „AltStadt-Neu“ auch implizierten Thema der Eigenheim-Sanierung zu bringen.
Den entscheidenden Ausschlag für den Charakter der Arbeit gab die Hausbesichtigung – was die Materialwahl betraf und auch die Entscheidung, das Haus von außen zu bearbeiten. Letzteres ergab sich bei dem uns zugedachten Haus zwangsläufig, als Junghanns bei der Besichtigung fast durch die Decke krachte – Der Vorbesitzer, ein passionierter Heimwerker, konnte seine ambitionierten Pläne zu Lebzeiten nicht mehr vom baulichen Chaos befreien. Das Haus steht nun zum Verkauf.
Frank Benno Junghanns griff –angespornt durch den noch sichtbaren, exzessiven Einsatz von Dämmschaum in allen möglichen Fugen und Hohlräumen– auf sein für bildhauerische Leichtbauprojekte präferiertes Material zurück: Polyurethanschaum. Seinem spontanen Verlangen, dieses Fachwerkhaus, welches ihn fast ins Bodenlose fallen ließ und ihm als Städter in seinen bäuerlichen Dimensionen geradezu Platzangst verursachte, vollständig mit Bauschaum zu füllen, standen nur die hohen Kosten, der Mangel an Eigentum am Haus und der allzugroße –wenn auch reizvolle– provokative Effekt eines solchen Vorhabens entgegen.
Mittels einiger hundert Liter Dämmschaums setzte Frank Benno Junghanns einfach das Werk seines Vorgängers konsequent fort und isolierte das Haus nun vollständig. Dies tat er nach allen –nicht vorhandenen– Regeln der Heimwerkerkunst.
Assoziationen an Schablonendrucke in alten Fachwerkhäusern führten Widawski ihrerseits auf ihre lange gehegten Tapetenpläne zurück, in denen sie durch stilisierte Alltagseindrücke Motive tradierter Ornamentik bricht. Mit dieser Kombination macht sie die auf den ersten Blick Wohnatmosphäre und Behaglichkeit ausstrahlenden, gediegenen Wandbeläge der „guten Stube“ zu einem ihre Umwelt reflektierenden und –auf den zweiten Blick– irritierenden Gestaltungselement.
Dana Widawski übertrug das Martialische des Bauschaumvorhabens von Junghanns auf das Bild des Heimwerkers, der von Größerem träumt und kombinierte es mit einem floralen Sujet in Anlehnung an klassische Tapetenmotive.
Mit diesem „nach außen kehren“, was eigentlich nur im Inneren zu finden ist, wollten wir einerseits –in einer ab-surden Dimension– ein Sinnbild für die schöne Fassade schaffen, hinter der sich „Ottonormalsanierer“ verschanzt oder gar isoliert.
Dämmschaum und Tapete symbolisieren hier andererseits auch einen, nicht nur finanziell bedingten, sondern geradezu zeitgemäßen Hang zur Oberflächenkosmetik, der mit einer Bewegung von der Nutzung alter Handwerkskunst zu einer kurzfristig gedachten Baumarktästhetik einhergeht.
Was wiederum die Frage aufwirft, wie man mit dieser alten, denkmalgeschützeten Substanz von Spangenberg wirklich umgehen soll – und heutzutage noch kann: Schöne Fassade, und was dahinter?
Standort:
Bädergasse 10
Künstlerischer Lebenslauf
geboren 1964 in Karlsruhe, lebt und arbeitet in Berlin.
- seit 1984: künstlerische Arbeit, Autodidakt
- 1983 1986: Programmarbeit Kommunales Kino Karlsruhe
- 1985 1989: Bildhauerassistent bei Prof. David D. Lauer, Karlsruhe
- 1989: Assistenz bei K. P. Müller (Maler/Bildhauer), Maximiliansau
- 1986 1987: div. künstlerische Gruppenprojekte zur Erhaltung des Industriedenkmals IWKA (Industriewerke Karlsruhe-Augsburg), heute: ZKM und Badisches Landesmuseum
- 1989: Umzug nach Berlin
- 1997: Gründung der KUNSTFAKTOR Produzentengalerie Berlin (seitdem im Vorstand) experimenteller Ausstellungs- und Projektraum seit 2001 als eingetragener Verein (www.kunstfaktor.de).
Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)
2005: »Toteninsel«, KUNSTFAKTOR Produzentengalerie, Berlin, Videoinstallation
2004: »Sammlung Junghanns«, KUNSTFAKTOR Produzentengalerie, Berlin
2003: »Kunstfaktor Zossen«, Figur/Installation “Eichmann”, Zossen bei Berlin
2001: »Zeit der Engel«, Bad Herrenalb: »Erdung (Landeplatz für Engel)«, Klang-/Licht-Installation »Landfraktale
2001: Kultursommer Nordhessen Neuenstein: »Jagdsport« und »Korb-Ball«, Land-Art
2000: »veni vidi video«, KUNSTFAKTOR Produzentengalerie, Berlin: »3f«, Video-Installation
1999: »und ab die post« 3. Festival junger Kunst, Postfuhramt Berlin-Mitte: »Strandglück«, Videoinstallation
1998: »Blau ist die Sehnsucht«, KUNSTFAKTOR Produzentengalerie, Berlin: Installationen »Strandglück« und »blauer Salon«, Fotoserie »Ortsbegehung«
1995: »monbijou mon amour«, Monbijouplatz Berlin: »Jump!«, Figur/Installation
1993: Waschküche Kleine Präsidentenstraße 3, Berlin: »Durchsicht«, Installation/ Environment Art
1990: Die Weinblume, Karlsruhe: Kleinplastiken
1989: Atelierausstellung, IWKA Karlsruhe: Objekte und Zeichnungen »Offene Ateliers«, IWKA Karlsruhe: »Ich Sein Kunst«, Rauminstallation
1988: Le Domaine, Karlsruhe: »Daily Fire«, 240 bemalte/gestaltete Streichholzschachteln
1987: Stiftung Kunstfond, Bonn: Industriefotografie, Dokumentation der Ausstellung »Kunst bis zum Abriß«
»99,999% aus leerem Raum«, Karlsruhe: »Deus ex Machina«, Raum-Klang-Installation
1986: »Kunstraum IWKA«, Karlsruhe: Raum-Installation (Farbskalen)
»IWKA Kunst bis zum Abriß«, Karlsruhe: Installationen, Zeichnungen und Objekte
Kontakt:
mail@kunstfaktor.de
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www.kunstfaktor.de